Das Thema des Karnevals der Rollenspielblogs in diesem Monat ist Wasser, organisiert von Clawdeen.
Zu diesem Thema möchte ich die Geschichte eines Wassermagiers von Ars Magica beisteuern.
Die Geburt eines Zauberers
Herbst 1194 A.D. – ein kleines Dorf am Ufer des Rheins tief im Schwarzwald
Es regnet in Strömen. Der Wind pfeift durch die Ritzen der kleinen Holzhütte in der die schwangere Frau schreit vor Schmerz. Ihr Mann geht nervös auf und ab. Die Kräuterfrau des Dorfes hat ihn in die Ecke verwiesen, wo er warten sollte, bis sie fertig seien. Dann ein Blitzschlag, ein Donner, der Schrei eines Säauglings, erschöpftes Ausatmen. Die Kräuterfrau sagt nur „Es ist ein Junge.“ Sie reicht das in Leinen gewickelte Bündel dem Vater hin. Er sieht sich das Kind an, sein Fünftes, und sieht ängstlich darauf. „Es… es… ist anders… Ist es ein Teufelskind?“ Die äuterfrau zuckt nur mit den Schultern. Die Mutter blickt entsetzt ihren Mann an.
In diesem Moment klopft es an der Tür. Niemand hat bemerkt, dass der Sturm nachgelassen hat, aber es regnet dafür stärker. Eines der älteren Kinder öffnet die Tür. Dort steht eine Frau – nackt und nass – mit bläulich-grünen Haaren. Sie zeigt auf das Büundel und spricht mit ihrer Stimme, die wie das Rauschen eines Flusses klingt: „Dieses Kind ist etwas Besonderes – nicht böose. Das Wasser wird in seinem Leben fließen. Eines Tages wird jemand kommen und ihn zu Großem anleiten!“ Noch ein einzelner Blitzschlag ohne Donner und die Frau ist verschwunden.
Schweigen.
Dann bricht der Vater das Schweigen. „Holt den Pfarrer! Er muss getauft werden! Vielleicht ist seine Seele noch zu retten! Er soll Simon heißen, wie der Apostel Petrus, passend für den Sohn eines Fischers!“
Wenig später wird das Kind mit Weihwasser besprenkelt und auf den Namen Simon getauft. Im Hintergrund steht eine nasse, nackte Frau bis zu den Hüften im Rhein und lächelt.
Die Kindheit eines einsamen Fischer-Jungen
Sommer 1199 A.D. – ein kleines Dorf am Ufer des Rheins tief im Schwarzwald
Der kleine Junge sitzt am Flussufer und grübelt. Er ist ein ruhiges Kind. Er hat eigentlich keine Freunde, selbst seine Geschwister und sein Vater scheinen ihn nicht zu mögen. Nur seine Mutter blickt ihn mit Liebe an. Er hört oft, er sei „anders„. Wenn er fragt, warum er anders sei, bekommt er keine Antwort.
Manchmal sieht er Dinge, bevor sie geschehen. Ist es das? Ist er deswegen „anders„?
Er weint. Die Tränen fallen zu Boden und mischen sich mit dem Wasser des Flusses vor ihm.
Er sieht ein Gesicht im Wasser. Hört eine Stimme in seinem Kopf. Die Stimme klingt wie das Rauschen des Flusses. „Weine nicht, kleiner Freund. Das Wasser ist dein Freund!“
Er geht in das Wasser. Er hört noch den entsetzten Ruf seiner Mutter hinter sich, aber er kann schwimmen. Er hat es nie wirklich gelernt, aber er kann es.
„Das Wasser ist mein Freund!“, denkt er und schwimmt wieder zurück an das Ufer.
Seine Mutter ergreift ihn, wirft ihm ein Leinentuch um, bringt ihn in die kleine Hütte und setzt ihn vor das Feuer. Besorgt fragt sie, warum er das getan habe. Er sagt nur „Das Wasser ist mein Freund!“
Etwas später kommt sein Vater heim. Seine Mutter erzählt, was passiert ist. Der Vater tritt an den Jungen heran und spricht ernst zu ihm: „Wenn das Wasser dein Freund ist, dann kannst Du ab morgen auch beim Fischen helfen.“
Der Fremde
Frühling 1205 A.D. – ein kleines Dorf am Ufer des Rheins tief im Schwarzwald
Der junge Simon kennt sich inzwischen mit Fischen aus. Täglich ist er mit seinem Vater auf dem Fluss und fängt Fische. Manchmal darf er sogar schwimmen. Oftmals muss er tauchen, um die Reusen zu kontrollieren. Das kann er gut.
Da steht ein dunkel gekleideter Mann am Ufer und winkt Vater und Sohn herbei.
Als sie am Ufer ankommen, fragt der Fremde: „Seid Ihr Rupert, der Flussfischer und ist das Euer Sohn Simon?“
Vater und Sohn fühlen sich unwohl in Gegenwart des Fremden. Er ist seltsam. Wirkt wie ein Mann, dem man nicht vertrauen kann, doch hat er kein Brandmal wie ein Vogelfreier. Seine Kleidung ist so gut, wie die eines Adligen und er hat nicht die schwieligen Hände oder das wettergegerbte Gesicht eines Bauern. Er muss von hohem Stande sein. Auch seine Sprache hebt sich deutlich von dem dörflichen Dialekt ab, den die beiden gewohnt sind. Vielleicht ein Gelehrter?
„Ja, der bin ich! Und wer seid Ihr, hoher Herr?“, antwortet der Vater.
„Das ist irrelevant! Ich bin wegen Eures Jungen hier! Wieviel muss ich Euch geben, um ihn mitzunehmen?“
„Vater?“, fragt der Junge besorgt.
„Schweige, Junge!“, schnauzt der Vater ihn an.
„Ich gebe Euch 50 Silberpfennige!“
Das ist mehr als der Fischer jemals in seinem Leben gesehen hatte und das für das „Teufelskind„…
„Gemacht!“, sagt der Vater und streckt dem Fremden die Hand entgegen. Der legt ihm nur einen schweren Beutel Silber in die Hand und stößt einen schrillen Pfiff aus. Ein Boot kommt den Fluss hinauf, gerudert von sechs kräftigen Männern, die aussehen, als wären sie an Strapazen und Kämpfe gewohnt. Sie rudern das Boot an das Ufer und einer von den Männern verbeugt sich vor dem Fremden.
„Wir sind soweit. Simon, steig in das Boot!“, sagt der Fremde und die Füße des Jungen bewegen sich, ohne, dass er es bewusst will. Er steigt in das Boot, sieht noch einmal zu seinem Vater, der nur noch Augen für den Beutel Silber hat und sieht, wie der Fremde ebenfalls das Boot besteigt. Die Männer beginnen zu rudern.
Als sein Vater außer Sichtweite ist, murmelt der Fremde Worte und bewegt die Hände. Danach fährt das Boot weiter flussaufwärts, ohne dass die Ruderer ihr Werk verrichten würden. Der Junge hat Angst.
Der Fremde wendet sich zu ihm, er wirkt jetzt weniger verdächtig und lächelt.
„Hab keine Angst! Du bist wie ich, etwas Besonderes! Du verfügst über eine Gabe, über die nur sehr wenige verfügen — die Gabe der Magie! Ich werde dich lehren, sie zu benutzen! Wir fahren jetzt zu meinem Heim und dort werde ich dich lehren, bis Du dich selbst Magus nennen darfst. Ich bin Hartmann, ein Magier aus dem Orden des Hermes. Ich gehöre dem Haus Ex Miscellanea an — aber das sagt Dir natürlich noch nichts. Ich werde dich lehren, wie Du mit deiner Magie, das Wasser beherrschen kannst…“
„Das Wasser ist mein Freund!“, sagt der Junge zögernd.
„Meiner auch!“, antwortet Hartmann nur und lächelt wieder.
Am Ufer steht eine nackte, nasse Frau und winkt dem Jungen ein letztes Mal zu….
Ausbildung
Winter 1211 A.D. – innerhalb des Bundes von Hartmann aus dem Hause Ex Miscellanea
Er lernt, wie man das Wasser formt, wie man es ruft, es erschafft, es auflöst und sogar wie man mit ihm spricht. Er hat Lesen und Schreiben gelernt, ebenso wie Latein und die Grundlagen der Magie, wie sie vom Orden des Hermes gewirkt wird. Im Frühling und Sommer muss er seinem Meister im Laboratorium helfen, im Herbst wird er von ihm unterrichtet, der Winter steht ihm für eigene Studien in der Bibliothek des Bundes frei.
Er hat Freunde gefunden. Der Sohn des Schmiedes, der im Bund lebt — Friederich — und die Tochter eines anderen Magus, gleichzeitig dessen Lehrling — Else — sind seine Freunde, mit denen er viel seiner freien Zeit verbringt. Else und ihr Vater und Lehrmeister gehören einem anderen Haus an, dem Haus Jerbiton, und sie befassen sich mit Illusionen. Meister Gerlic, Elses Vater, ist ein meisterhafter Illusionist, der die Sinne täuschen kann wie kein anderer und auch Else scheint in dieser Kunst recht begabt zu sein.
Friederich und Simon wettstreiten regelmäßig um Elses Gunst. Heute auch wieder.
Friederich ist körperlich stark und geschickt, wie ein angehender Schmied es sein sollte. Simon ist eher schwächlich, doch intelligent, wie es dem Lehrling eines Magus geziemt.
Friederich will auf einem zugefrorenen See Eislaufen. Er bindet sich zwei große Kieferknochen eines Rinds mit Lederriemen an die Füße. Er hat für die anderen ebenfalls Knochen mitgebracht.
„Es ist nicht sicher, das Eis ist zu dünn.“, sagt Simon, doch Friederich will nicht hören.
„Du traust dich ja nur nicht.“
Dann ist Friederich schon auf dem Eis und dreht seine Runden. Else ist beeindruckt von der Geschicklichkeit des Schmiede-Lehrlings.
Doch das Eis knackt und bricht unter ihm.
Simon reagiert schnell, wird einen Zauber, wie ihn sein Meister es gelehrt hat, öffnet das Eis und lässt Friederich an die Oberfläche schnellen. Else und der junge Zauberer holen ihren Freud vom Eis.
„Du sollst außerhalb des Labors nicht zaubern!“, ertönt die strenge Stimme Hartmanns hinter ihnen, „Aber dieses Mal will ich dir verzeihen, denn Du hast den törichten Schmiede-Lehrling gerettet!“
Sie tragen den kräftigen Burschen zurück in sein Heim, wo er sich erholen kann.
„Dennoch musst Du gestraft werden! In mein Laboratorium, sofort!“
Die „Strafe“ besteht darin, dass Simon diesen Winter nicht frei hat. Er muss lernen. Die Kunst der Hydromantie, die auch sein Meister beherrscht.
Der Meister beginnt seine Lektion mit den Worten: „Sieh auf das Wasser, bis es dir Bilder zeigt…“
Lehrprobe
Herbst 1219 A.D. – Durenmar, Herz des Ordens
„An diesem 35. Tag im Zeichen Virgo im 1358. Jahr des Aries soll nun die Lehrprobe für den Discipulus Simon erfolgen.“, rezitiert der Quaesitor, der die Lehrprobe begutachtet, „Hartmann filius Fye aus dem Haus Ex Miscellanea, stelle deinem Discipulus die Probe!“
„Simon, Deine Probe sei die Folgende: Beschaffe mir eine Strähne vom Haar einer Nymphe!“, äußert Hartmann mit voller Stimme.
Simon macht sich auf den Weg. Er geht in Richtung eines Sees, der ganz in der Nähe liegt. Ein Zauber leitet ihn dort hin.
Er legt am Ufer seine Kleidung ab und wirkt zunächst einen Zauber, der ihn im Wasser des Sees sehen lässt, anschließend einen, mit dem er atmen kann. Beinahe wäre ihm dieser misslungen, denn einen solchen muss er immer noch spontan wirken, da er noch keine Formel hierfür erlernt hat.
Er taucht hinab. Tiefer und tiefer.
Dann trifft er auf eine Frau, nackt und nass, die vor ihm her schwimmt. Das Wasser scheint ihr Heim zu sein.
„Wer bist Du?“, denkt er nur, doch die Frau scheint ihn gehört zu haben.
„Ich bin Narinara, die Nymphe dieses Sees, und ich kenne dich schon seit deiner Geburt, Simon, Sohn eines Fischers und Schüler eines Zauberers.“, antwortet sie in seinem Geist und ihre Stimme klingt wie das Rauschen eines Flusses.
„Ich brauche eine Strähne Deines Haares. Bitte!“, denkt Simon.
„Nur für einen Kuss!“, antwortet Narinara.
Er küsst sie und er spürt, wie das Wasser in seine Lungen fließt. Niemals mehr möchte er eine andere Frau küssen. Keine kann ihm so nahe sein.
„Das Wasser ist dein Freund.“, sagt Narinara und drückt ihm eine Strähne ihres Haares in die Hand. Er wird ohnmächtig.
Er erwacht am Ufer, ohne zu wissen, wie er dorthin gelangte oder wie lange er ohnmächtig war. In Seiner Hand liegt ein Bündel grünlich-blauer Haare.
Er geht zurück nach Durenmar. Er trocknet sich nicht, nicht mittels Leinen oder mittels Magie. Das Wasser ist nun ein Teil von ihm und es soll von alleine trocknen.
Wenig später legt er den Eid ab, der ihn zu einem Magus im Orden des Hermes macht.
Er ist Simon filius Hartmann aus dem Hause Ex Miscellanea, er liebt eine Nymphe und das Wasser ist sein Freund.