Primo loco soll nun eine kurze Introductio meiner selbst stattfinden. Zu diesem Zwecke werde ich meine geringe Historia niederlegen und an diversen Punctæ eine nicht allzu prolongierte Erläuterung applicieren, damit der geneigte Leser mein Agens ab ovo deduzieren mögen.
Nun mag man sich fragen „Cui bono?“. Nun die Responsum zu dieser Frage möge der geneigte Leser sich selbst niederlegen. Mein Zweck an eben dieser Stelle ist es, nur meine eigene Compertio ad aeternam zu fixieren, um in
fortgeschrittenen Götterläufen, die da kommen werden, zurückzublicken auf mein eigen Leben. Aber nun zu meiner Historia….
I. Familie – Die Herkunft
Geboren wurde ich unter dem Namen Cyberian Kohlenbrander am XIX. HES anno MIII nach dem Fall der Tausendtürmigen als Jüngstes von drei Kindern. Mein Vater ist Stallknecht im Haushalt des Herzogs vom Großen Fluss in Elenvina, wohingegen meine Mutter als Küchenmagd ihren Dienst in eben jenem Haushalt versieht. In Essentio war meine Familia seit jeher in Diensten des herzöglichen Hofes und auch meine Brüder und Schwestern haben dort eine Stellung gefunden. Es ist zu vermuten, dass auch meine Wenigkeit dort Dienst verrichten würde, wenn nicht das Erbe meines Onkels und meines Großvaters mütterlicherseits in mir seinen Niederschlag gefunden hätte.
Um die Angelegenheit zu vereinfachen sei folgend mein Stammbaum kurz dargelegt.
Wie der geneigte Leser an diesem Stammbaum leicht deduzieren mag, ist meine Familia eher klein und überschaulich. Tatsächlich sind meine Eltern von der Ewigjungen Herrin besonders gesegnet, denn die Familie meines Vaters neigte nie zu solchem Reichtum an Kindern.
Nun mag ich meine Familia – einen jeden einzelnen – kurz vorstellen, und brevi manu erläutern, welche meine Connectiones zu diesen einzelnen Personen, welche mir im Blute am Nächsten stehen erläutern.
Geron, mein Vater, ist, wie schon bereits erwähnt, Stallknecht im Haushalt des Herzogs vom Großen Fluss in Elenvina. Er ist, in contrario zu meiner Person, von kräftiger Statur, wenngleich ich sein braunes Haar und seine graublauen Augen erbte. Er ist ein gutmütiger Mensch, wenn auch von einfachem Geiste. Er hat nie meine philosophischen Neigungen verstanden, oder ihnen auch nur allzu lange folgen können. Dennoch muss ich sagen, dass er meine Eigenheiten stets akzeptierte und alles in seinem Vermögen stehende tat, um mir das zu geben, was ich für meine Karriere benötigte. Dank meines Vaters verstehe ich heute, wie wichtig es oft ist, auch dem einfachen Manne oder der gemeinen Bauersfrau etwas von dem Wissen preiszugeben, das meine Collegæ so oft eifersüchtig hüten.
Denn, so frage ich, ist es nicht gerade jene Unwissenheit, die Furcht erzeugt im gemeinen Volke vor der Ars Magica, die zu den fatalen Verbrennungen führen, bei denen oft Übeltäter, wohl aber auch oft unschuldige Seelen auf dem Scheiterhaufen ihr Ende finden? Ist es nicht gerade die Aufgabe verantwortungsbewusster Magi und Diener der Götter, das Volk aufzuklären und ihnen zumindest jenes Mass an Wissen an die Hand zu geben, damit sie frei und ohne Vorurteil entscheiden mögen? Dies sind die Lehren, die ich von meinem lieben Vater erhalten habe.
Meine Mutter Eretria hingegen verfügt über den wachen und aufmerksamen Verstand, der ihrer Familia zu eigen ist. Ihr sehnlichster Wunsch seit ihrer frühen Jugend war eine Familie, die sie umsorgen konnte und sie hatte in meinem Vater ihre Liebe gefunden. Mein Großvater Ansgard sorgte dafür, dass sie Anstellung bei Hofe erhalten konnte und so wurde sie zur Küchenmagd. Da sie mehr Wert auf ein traviagefälliges Leben legte, als auf ihre Arbeit, war ihr diese Anstellung nur recht, obwohl Großvater Sardas immer bezweifelt hatte, dass sie so ihre Erfüllung finden könnte. Er hätte es wohl lieber gesehen, wenn Mutter eine Gelehrte geworden wäre, um so ihren Verstand zu nutzen. Allerdings schafft Mutter es auch in ihre Position als Küchenmagd ihren Verstand zu nutzen, denn sie ist oft Ansprechpartnerin und Ratgeberin für allerlei Persönlichkeiten bei Hofe – was selbst einige höhere Persönlichkeiten von Stande einschliesst. Von ihr erbte ich meine Gaben des Verstandes und die Kunst des Zuhörens, was ebenso wichtig ist, wie eine vernünftige und ausführliche Ausbildung.
Mein älterer Bruder Answin – zu jener Zeit, da er geboren ward waren die Rabenmunds, insbesondere Answin von Rabenmund, höchst angesehen und kurz zuvor am Hofe des Herzogs zu Besuch gewesen, folglich wurde er entsprechend benannt – ist der Erbe meines Vaters. Von großer und starker Gestalt, half er von Kindheit an bei der schweren Arbeit meines Vaters. Später dann wurde er in der herzöglichen Garde ausgebildet und verdient sich nun als Weibel in der herzöglichen Garde. Seit einiger Zeit verkehrt er mit einer jungen Magd namens Gutwine Erlenfreund, mit der er wohl auch den Traviabund beabsichtigt. Als Kind war er weniger herzlich, insbesondere nicht gegenüber seinem jüngeren und schwächlichen Bruder. Oft hatte ich das Nachsehen, wenn er schlecht gelaunt war, so war ich das Ventil seiner Aggressionen. Doch, so habe ich mir sagen lassen, ist dies oft der Fall zwischen Geschwistern und heute verbindet uns mehr denn in jenen, früheren Tagen. Doch auch heute würde ich ihn fürchten, wäre ich sein Gegner, denn lernte er doch das Waffenhandwerk in der Garde und scheut sich nicht, seine Ars Combattiva gegen Feinde des Herzogs und der Nordmarken einzustezen. In der Tat befürchte ich, dass seine Lust auf das Abenteuer aus seiner jungen Liebe eine frühe Witwe machen könnte, aber vielleicht legt sich dieser Reiz ja mit dem Beginn einer eigenen Familia.
Meine ältere Schwester Salwine hat es allerdings „faustdick hinter den Ohren“, wie man in unseren schönen Nordmarken gerne sagt. Sie erbte den besten Teil beider Elternteile, den klaren Geist meiner Mutter, das körperliche Geschick meines Vaters und anscheinend auch die magische Gabe, die Mutters Familia perfluktuiert. Allerdings ist ihre Begabung der Ars Magica – deswegen formuliere ich es an eben dieser Stelle vorsichtig mit „anscheinend“ – nur schwach und unvollständig und kaum ausgebildet. Allerdings – und genau das ist das Problem meiner „kleinen“ Schwester – hat sie weder den Ordnungssinn unseres Vaters noch den Sinn für Gerechtigkeit unserer lieben Mutter. Ihr Talent liegt in Folge ihrer Begabungen in eher unrechtmäßigen Dingen. Factum ist es, dass meine geliebte Schwester Salwine unsere Familia im Alter von etwa 21 Götterläufen verließ, da sie sich, sehr zum Entsetzen meines Vaters, mit einem jungen Mann vom Fahrenden Volke liierte und ihrer Liebe folgen wollte. Der junge Mann – ich memoriere noch seine äußere Gestalt und die seiner eigenen Schwester – versprach Salwine ein Leben in Freiheit, so wie es beim Volke der Zahori üblich ist. Seine Sippe zog seinerzeit durch die schönen Nordmarken und wurde vorübergehend in Elenvina – man muss es so ausdrücken – „geduldet“. Ich erinnere mich an den Namen Khalid Espadín, seine Schwester hieß Daria und sie wurden von einem kleinen Äffchen begleitet, dass stets in Darias Nähe verweilte. Khalid’s Prädisposition zum Eigentum anderer Leute möchte ich vorsichtig als „inakzeptabel“ bezeichnen. Tatsächlich bedeutete die Sippe Espadín für meine Familia nur Ärger und vermutlich hat meine Schwester im Laufe der Jahre, so sie noch immer mit diesen Gestalten reisen mag, ihre Ansichten inzwischen vollständig übernommen. Ich hoffe bis zum heutigen Tage, dass ich dereinst meine Schwester wieder sehen mögen, so die Götter es wollen, und das an diesem Tage unsere Barrieren miteinander so gering werden, dass auch mein Vater mit Glück und vielleicht auch ein wenig Stolz auf meine Schwester blicken möge.
Nun mögen wir zu Onkel Etrius kommen. Er ist, wie meine Wenigkeit, von magischer Begabung und Ausbildung dominiert. Als erfahrener Magus war er es in jener Zeit, der eine eigene Begabung entdeckte und vorschlug, mir eine entsprechende Ausbildung angedeihen zu lassen. Tatsächlich hätte er es wohl bevorzugt, dass ich, wie er selbst, eher in der Academia Armamorum Astralis Garthiensis ausgebildet worden wäre. Er hat sich als Antimagier eine Stellung als Hofmagus des Grafen Elwin von Wolfenhag verdient. In dieser Stellung verdingt er sich seit seiner Ausbildung und Lossprechung. Aus dieser relativen Sicherheit seiner Lebensumstände heraus entscheidet er durchaus anders als ich es wohl tun würde. Tatsächlich ist die Sicherheit seines Lebens und des Lebens der ihm Anvertrauten das Höchste Gut dessen er sich rühmt und es liegt wohl an dieser Einstellung, dass unsere Ansichten voneinander differieren. Doch trotz aller Differenzen, die sich in unseren Ansichten abzeichnen mögen, habe ich ein gutes Verhältnis zu meinem Onkel und bitte ihn – sofern ich Gelegenheit dazu habe – gerne um seinen Rat, denn seine Erfahrungen schätze ich sehr hoch. Seine Meinungen helfen mir oft, eine Contraposition zu meinen eigenen Prädispositionen zu erkennen, um solcherart eine differenzierte Analyse der Angelegenheiten, derer ich mich bemühe zu erreichen. Nicht zuletzt bin ich Onkel Etrius bis heute zutiefst dankbar für die Erkenntnis meiner Begabung und die Forcierung meiner Ausbildung in der Ars Magica.
Da wir gerade bei den magisch begabten Personæ meiner Familia sind, gehe ich nun zu Großvater Sardas über. Sardas Brynlinger ist – ebenso wie ich – Abgänger der Academia dominationis Elenviniensis. Warum er sein eigen Fleisch und Blut – Onkel Etrius – nicht auch an dieser Academia die Ausbildung angedeihen ließ? Nun, Großvater lebt in Gareth, da Großmutter Haldane im dortigen Erzhort Madaburg der Draconiter ihren Dienst verrichtet, doch dazu später mehr. Großvater neigte dazu, die Lande Aventuriens zu bereisen, um seine magischen Forschungen voran zu treiben – eine Eigenschaft, die ich an ihm sehr bewundere und die ich teile. Bei seinen Reisen lernte er in jungen Jahren Großmutter in Punin kennen. Sie bereisten gemeinsam die Lande, bis sie später in den Erzhort zu Gareth versetzt wurde, wo die beiden sich schließlich niederliessen. Mutter kehrte später nach Elenvina zurück um hier das Haus mein Urgroßvaters zu bewohnen und meinen Urgroßvater an seinem Lebensabend zu betreuen. Tatsächlich werde ich wohl in näherer Zukunft versuchen, meine Großeltern in Gareth zu besuchen, jetzt, da meine eigene Ausbildung beendet ist und Großvaters Segen für meine eigenen Forschungsreisen zu erhalten.
Nun Großvaters Geschichte ist, wie der Leser sicherlich schon bemerkt hat, eng mit der Geschichte meiner Großmutter verknüpft. Sie ist Laiendienerin und Scritporia im Sacer Ordo Draconis, dem Heiligen Drachenorden zur Vertiefung allen Wissens Unserer Göttlichen Herrin HESinde. Dieser Orden besteht zwar erst seit wenigen Götterläufen, doch zuvor war meine verehrte Großmutter bereits Laiendienerin und Bibliothecaria in Diensten der Kirche der Herrin HESinde. Als solche war sie oft unterwegs, um Schriftrollen und Bücher zwischen den verschiedenen Tempeln der Herrin zu überbringen. Auf einer jener Reisen lernte sie seinerzeit in Punin Großvater kennen und sie begannen ihr gemeinsames Leben. Natürlich lag es an Großvater, der ja als freischaffender Magus relative Ungebundenheit genoss, sich an die Vorgaben der HESinde-Kirche gegenüber meiner Großmutter anzupassen, wozu er aber gerne bereit war. Großmutter ist auf Grund ihrer Tätigkeit sehr belesen und kann über viele Themen disputieren, was ich jedoch vor allem von ihr lernte, war die Organisation. Als Bibliothecaria und Scritporia muss sie zwangsläufig ihre Ordnung unter den Schriften, die sie verwaltet aufrecht erhalten und diese Ordnungsliebe zieht sich durch ihr gesamtes Leben, was sie natürlicherweise an ihre Nachkommen und deren Abkömmlinge weitergab.
All das Gerede über Großeltern muss natürlich zwangsläufig auch zu meinen Großeltern väterlicherseit führen, wobei ich an dieser Stelle mit meiner Großmutter Elwaniane beginnen mag. Großmutter war, wie man sich eine Großmutter vorstellt – liebevoll und immer mit Süßigkeiten für ihre Enkel bewaffnet. Letzteres war relativ einfach, da sie als Köchin am herzöglichen Hofe arbeitete. Ihre gedeckten Apfeltorten sind bis heute ein Traum und ich denke, dass der eine oder andere adelige Bauchansatz durchaus auch von ihren Kochkünsten geprägt wurde. Heutzutage verbringt sie ihren Ruhestand im Hause meines Vaters, so dass meine Familie die vorrangigen Nutznießer ihrer Künste ist. Großmutters Elwanianes herzliche Art ist ein großer Gegensatz zur stillen und frommen Gelehrsamkeit von Großmutter Haldane. Die beiden verstehen sich relativ gut, wenn sie miteinander auskommen müssen, allerdings hat Großmutter Elwaniane schon oft Haldane wegen ihrer stillen Art ein wenig kritisiert.
Zu guter letzt, berichte ich nun über Großvater Ansgard, möge Boron seiner Seele gnädig sein. Er hat lange Jahre als persönlicher Diener der Grafen von Quackenbrück gedient. Er hatte viel gesehen und mir viele Geschichten über die hohen Herrschaften erzählt, als ich noch ein Kind war. Leider starb er schon früh in meiner Kindheit, da sein schwaches Herz die Begegnung mit einem Dämon, der seinen Herrn töten sollte nicht verkraftete. Aus diesem Grund kann ich nicht mehr zu meinem Großvater sagen, außer, dass er mir nahe legte, meine Pflichten stets zu erfüllen.
II. Eine (fast) unbeschwerte Kindheit
II.I. Jahre in Großmutters Obhut
Den ersten Abschnitt meines Lebens verbrachte ich im Haushalt meiner Großeltern väterlicherseits. Großvater war, wie bereits erwähnt, in Diensten des Grafen von Quackenbrück, während Großmutter bereits ihren Ruhestand angetreten hatte und sich um den Haushalt der Familie kümmerte. Meine in Elenvina ebende Familie ist nicht von großem Reichtum geprägt, so dass nahezu alle Familienmitglieder ihrer Arbeit nachgehen müssen und ergo meine beiden Elternteile, sowie Großvater ihrem Erwerb bei Hofe weiter nachgingen. Großmutter Elwaniane übernahm in diesen Zeiten die Rolle des Haushaltsvorstandes und erzog uns Kinder. Mein Bruder Answin befand sich schon in der angehenden Ausbildung in der herzöglichen Garde, während Salwine mit mir zusammen zu Hause bei Großmutter war.
Wir genossen Großmutters Gesellschaft, insbesondere ihre gedeckten Apfeltorten und Nusskuchen, die sie praktisch täglich zubereitete und verbrachten warme Tage in dem kleinen Garen hinter dem Haus meiner Familie, kühlere jedoch in Großmutters Nähe am heimatlichen Kamin, wo sie uns gerne Geschichten vom Feenvolk erzählte. Dazu eine kleine Anmerkung: Dank Großmutters Geschichten hege ich heutzutage den Wunsch, das Feenvolk näher zu erforschen. Sicherlich ist dies keine übliche Neigung bei einem Magus der Academia zu Elenvina, denn wozu sollte die Magica Controllaria im Umgang mit dem Alten Volke, wie es in den Geschichten auch genannt wird, schon dienen, außer zum Zwecke des Schutzes vor den Verzauberungen, die diesem Volk nachgesagt werden? Dazu wäre wohl die Contra-Magica besser geeignet, oder nicht? Doch gerade diese Leichtigkeit, mit der das Feenvolk in der Lage ist, die Sinne und den Geist eines Menschen zu verwirren, fasziniert mich bis zum heutigen Tage, da ich diese Zeilen schreibe. Vielleicht ist es mir ja doch noch möglich, nähere Studien in diesem Gebiet zu betreiben.
So verbrachte ich die ersten sechs Götterläufe meines Lebens in relativer Harmonie, die üblichen Streitigkeiten unter Geschwistern, möchte ich hier außen vor lassen, und im Kreise meiner Familia, deren Zuneigung ich mir immer gewiss war und bis zum heutigen Tage bin.
Ein tragischer Wendepunkt ergab sich anno MIX nach dem Fall der Tausendtürmigen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ein niederträchtiger Dämonenjünger, dessen sinistere Pläne durch den Erstgeborenen des Grafen von Quackenbrück – Silas Amadeo von Quackenbrück – zunichte gemacht wurden, einen düsteren Rachefeldzug gestartet. Der Name dieses Dieners der heptsphärigen Entität, deren Namen ich hier nicht nennen werde, welche aber der düstere Herr der Rache ist, dem der sogenannte Dämonenkaiser Galotta ebenfalls folgt, ist Eldunio Makabris. Er sandte einen niederen Diener des Herren der Rache, um den Vater eben jenes Jünglings, der seine Pläne gestört hatte, zu töten. Wie der geneigte Leser sicherlich aus der Beschreibung meiner Familia noch memoriert, war mein Großvater Ansgar in Diensten eben jenes Grafen von Quackenbrück. Großvaters Herz war der Begegnung mit einem Heshtoth nicht mehr gewachsen, doch sein Aufschrei, bevor er starb, warnte den Grafen, so dass dieser der heptsphärigen Wesenheit entkommen und die Geweihtenschaft des Herren PRAios diese letztendlich exorzieren konnte. Großvater sollte im Namen des Herzogs Jast Gorsam selbst – der Graf war seinerzeit ein enger Vertrauter des Herzogs – eine Heldenbestattung erhalten, da sein tragischer Tod, das Leben des Grafen und sicherlich auch anderer Personen bei Hofe gerettet hatte.
Nun besagter Zauberer namens Eldunio Makabris muss sich in jenen Tagen in Elenvina aufgehalten haben, da es weitaus diffiziler ist, eine heptsphärige Entität über große Distanz hinweg zu kontrollieren. Das es genau jener Zauberer war, ist durch einen Drohbrief, der dem Sohn des Grafen nach dem Attentatsversuch zuteil wurde belegt. Allerdings haben Suchaktionen der Garde den Delinquenten seinerzeit nicht gefunden, so dass dieser heute noch seine unverdiente Freiheit geniesst. So er noch auf Dere weilt, wird er, sollte ich ihn finden, von mir der Gerichtsbarkeit der Kirche unseres Herren PRAios übergeben, damit er die gerechte Strafe für seine Vergehen erhalten möge. Vermutlich, so hoffe ich, hat diese Bestrafung einen näheren Zusammenhang mit einem Scheiterhaufen, und an jenem Tage werde ich seine letzten Worte hören, da ich in direkter Nähe zu diesem Scheiterhaufen platziert sein werde.
II.II. Eine Kindheit am Hofe
Auf Grund der Tragik dieses Vorfalls, der meine Großmutter mit Gram und Trauer erfüllte, und dem Alter meine Schwester, die nun mit ihrer Ausbildung als Zofe bei Hof beginnen sollte, wurde auch ich zum hofe des Herzogs gebracht. Nun blieb die Frage, was denn ein junger Bursche von gerade einmal sechs Götterläufen bei Hofe tun sollte? Zu allererst begleitete ich meine Mutter in die Küche, wo ich unter ihrer Aufsicht bleiben konnte.
Dieser Zustand konnte jedoch nicht von Dauer sein, denn obwohl ich ein ruhiges Kind war, dessen Neugier nur befriedigt werden musste, damit es Niemanden störte, war es aber auch genau jene Neugier, die die herzögliche Küche als Aufenthaltsort bald für mich ungeeignet erscheinen ließ, denn eine Küche, und sei sie noch so groß, ist von einem wissbegierigen Geist sehr schnell erforscht. Also wurde mir erlaubt, mich am Hofe zu bewegen. Ich lernte relativ schnell den jungen Prinzen Falduwin von Grötz kennen, der sich, obwohl von Adelsstande, in similarer Situation wie ich befand. Wir waren beide in etwa von gleichem Alter, neugierig und die Angelegenheiten des Hofes langweilten uns zu Tode.
Nun muss ich wohl erwähnen, dass Prinz Falduwin nicht von so ruhigem Charakter ist, wie ich es seinerzeit schon war, ergo war er immer darauf bedacht, „Abenteuer“ zu erleben, was dazu führte, dass einige Herrschaften bei Hofe schon sehr bald ärgerlich über uns zwei Kinder waren und mein Vater Prinz Falduwin einmal gar als „schlechten Umgang“ bezeichnete. Salwine hingegen liebte es, Geschichten über unsere damaligen Missetaten zu vernehmen und amüsierte sich stets über die Streiche, die wir Bediensteten und hohen Herrschaften gespielt hatten.
Unser „Meisterstück“ war es seinerzeit, dass wir unter Ausnutzung der persönlichen Begehren des Baron von Ehrenwalde gegenüber der jungen Ehrendame Gorania von Wolfenhag, diesen dazu brachten, ungewollt in eine Konferenz des Herzogs zu stolpern, mit nichts weiter an seinem Leibe als seinen Stiefeln und seinem Schwertgurt. Der Leser bringt sicherlich einiges Verständnis auf, wenn ich erwähne, dass der Baron nicht sonderlich erfreut über diesen Umstand war, obwohl ich glaube, dass der Herzog kurz vor seiner Entrüstung ein Lächeln auf den Lippen trug. Wie dem auch sei, es wurde rasch festgestellt, dass Falduwin und ich an dieser Angelegenheit maßgeblich beteiligt waren und ergo sollten wir beide ab diesem Zeitpunkt einer „ordentlichen Beschäftigung“ nachgehen. S geschah es dass Prinz Falduwin als Knappe am Hofe des Barons von Wolfsstein dienen sollte. Ich hingegen sollte in die Dienerschaft eingeführt werden und meinem Vater als Stallbursche zur Seite stehen.
II.III. Erkenntnis der Begabung
Wie man sich sicherlich vorstellen mag, war der Stall ebenfalls recht schnell ein Ort, den ich mit Langeweile konnotierte. Ich mochte zwar die Pferde und genoß die Zeit, die ich auf diese Weise mit meinem Vater verbringen konnte zwar sehr, jedoch die Eintönigkeit der Arbeiten war für mich jedoch unerträglich.
Versteht mich bitte nicht falsch, ich bewundere die Tatsache, dass mein Vater sein Glück in dieser Arbeit findet, und ich mag Tiere, aber Mistschaufeln und Futter in Schubkarren transportieren war nicht gerade das, was ich mir in jener Zeit zu tun wünschte. Viel eher hatte ich Interesse daran gefunden, lesen zu können, wie Großvater Sardas, Großmutter Haldane und Onkel Etrius, mein Vater hielt dies jedoch unnötig für einen Stallburschen und hinderte mich daran, Lesen zu lernen und die Welt der Wissenschaft für mich zu entdecken, einfach indem er mir genügend Arbeit zuteilte, so dass ich des abends ermüdet ins Bett fiel.
Allerdings sollte ich dieser Tätigkeit nicht lange nachgehen. Es dauerte nur etwas mehr als anderthalb Götterläufe, bis meine Begabung entdeckt werden sollte. An diesem Geschehen war mein Onkel Etrius nicht ganz unbeteiligt. Er war im Jahre anno MXI nach dem Fall der Tausendtürmigen zu Gast bei uns und wir schlenderten abends nach getanem Tagewerk durch die Gärten des Hofes, um nach Hause zu kommen. Es war eine warme Sommernacht und Onkel Etrius war ein gern gesehener Gast bei Hofe. An jenem Abend sollte eine kleine Jagdgesellschaft aufbrechen und Vater hatte die Pferde bereits gesattelt. Doch eines der Pferde war unruhig, brach aus und preschte genau auf einen Baron aus dem Horasreich zu. Es war praktisch zeitgleich dass Onkel Etrius und ich riefen, doch während Onkel Etrius den Baron durch seinen Zuruf warnen wollte, rief ich dem Pferd zu, dass es stehen bleiben sollte. Wunderlicherweise geschah dies. Das Pferd blieb stehen, der Baron war sichtlich erfreut und wollte meinem Onkel für die magische Rettung danken.
Doch dieser verneinte den Einsatz seiner Gabe, obwohl er zugeben musste, dass er einen astralen Fluss gespürt hatte. Er schaute mich intensiv an, sprach den Odem-Cantus und war erstaunt. Mein eigene Begabung in der Ars Magica war ausgebrochen und zeigte sich ihm nun deutlich. Onkel Etrius überzeugte meine Eltern schnell davon, dass es wichtig wäre, diese Begabung auszubilden und war sogar bereit, mein Schulgeld auf sich zu nehmen, da er wusste, dass meinen Eltern die erforderlichen Ressourcen nicht zur Verfügung stehen würde. Ich sollte also doch noch lesen lernen und bin Onkel Etrius bis heute dankbar, dass er soviel Mühe verwendete, um meine Ausbildung zu fördern. So wurde ich also zur örtlichen Akademie in Elenvina zur Aufnahmeprüfung gebracht.
III. Jugend – Die Ausbildung
III.I. Die Magister
An dieser Stelle werde ich nun jene Damen und Herren Magister introducieren, welchen ich die formidable Ausbildung verdanke, damit der Leser verstehe, welchen Stellenwert jede dieser Persönlichkeiten in meinen Jahren der Ausbildung eingenommen hat.
Ad Primus ist natürlich seine Spektabilität Magister Spectabilitas Jorgen Raul Vitteleck zu nennen. Sein fortgeschrittenes Alter macht sich inzwischen sehr deutlich bemerkbar.
Ad Secundus ist die designierte Nachfolgerin seiner Spektabilität Magistra Magna Ruane von Elenvina zu nennen. Die Magistra hat sich vorgenommen die Lehrmethoden Seiner Spektabilität Vittelbeck fortzuführen und wird in ihrer strengen Art diesem Anspruch durchaus gerecht.
Ad Tercio ist Magister Ordinarius Lucianus Bellonis Dracorius Lurinus de Civitas Gareti aufzuzählen. Er unterrichtete im Speziellen die Kunde zu Wesen und Kräutern Aventuriens und die Ars Combattiva, die den rechten Umgang mit dem Stab einschliesst. Als Abgänger der Akademie Schwert und Stab zu Gareth ist er wohl die am besten geeignete Person, um jungen Novizen die Ars Combattiva nahe zu legen und seine Reisen in früheren Tagen sorgten für eine profunde Kenntnis von allerlei Getier und Kraut.
Ad Quarto sei Magistra Ordinaria Dextra Adorata von Persanz genannt. Die einzige Magistra, die sich beharrlich weigerte, das Brabaker Rohr zu verwenden, was ihr Ansehen bei den studiosi in alveranische Höhen hebt. Ihre Fachkunde in den Tiefen des menschlichen und nicht-menschlichen Geistes ist immens, verbrachte sie doch einige Jahre ihres Lebens in den Kammern der Noioniten in Selem, um dort die geistig Verwirrten zu betreuen.
Ad Quinto ist Magister Ordinarius Severius Sanguinis ter Bredero zu nennen, ein horasischer Magus von Stande, der neben magischen Analyse, der Alchimia auch besonders darum bemüht war, uns studiosi ein wenig von gutem Benimm ans Herz zu legen.
Ad Sexto ist noch Licentiatus iuri magicæ Brogrosch groscho Borgorox eine wichtige Person an der Akademie. Als Rechtsbeistand für das Ius magicæ ist dieser auch verantwortlich für die Lehre in den Bereichen Argelionsrecht, wobei er sich zudem auch verantwortlich zeichnet für den Unterricht in Rogolan.
Weitere Personen, die regelmäßig an der Akademie zugegen sind und auch unterrichten sind Seine Gnaden Donator Luminis Lumin Praiodan von Quandt, der grundsätzlich bei den Kommissionen anwesend ist, die fremden Magi den Dispens erteilen darf, das in Elenvina herrschende Arcanum Interdictum zu umgehen – im Übrigen gilt dieses Privileg für alle Abgänger der Academia dominationis Elenviniensis – und weiterhin noch Unterricht in Alveranischer Kunde und Theologie erteilt. Außerdem ist da noch Ihre Gnaden Mentorin Sindalieb Schultheiß vom örtlichen HESinde-Tempel, die den Eleven die Grundlagen des Bosparano, des Nanduria, der Kusliker Zeichen, der Derographie und der Artihmetrik und Geometrie lehrt.
III.II. Examinatio quadrivia – Die Aufnahmeprüfung
Normalerweise findet in früher Kindheit, bei der ersten Entdeckung einer possiblen magischen Begabung eine examinatio infantis statt. Da meine eigene Begabung sich jedoch erst in meinem IX. Götterlauf manifestierte, respektive signifizierte, fand in meinem Falle die examinatio infantis und die examinatio quadrivia faktisch gleichzeitig statt.
Onkel Etrius begleitete mich also zur Academia dominationis Elenviniensis, wo ich dem Lehrkörper vorstellig wurde. Ich hatte damals den Eindruck einer Collectio alter Männer und Frauen – das fortgeschrittene Alter Seiner Spektabilität Vittelbeck war daran wohl nicht ganz unschuldig –, die einen Jüngling untersuchten, als wäre er ein Exemplar einer extrem seltenen Spezies.
Mein Astralkörper wurde mittels des Analys-Cantus genauestens auf eventuell vorhandene Affinitäten examiniert. Es wurden mir diverse Fragen gestellt, bezüglich eventuell geschehener, seltsamer Vorfälle, die in meinem Leben vielleicht auch unauffälig geschehen waren, wobei sich herausstellte, dass in Augen der Damen und Herren Magister diverse kleine Geschehnisse, die ich wohl seinerzeit als Glück betitelt hätte, durchaus als Ausbruch der Magica interpretiert wurden.
Nach einer kurzen Beratung während derer ich vor der Tür zum Colloqium warten musste, wurde mir mitgeteilt, dass ich ab dem nächsten Praiosmond in der hiesigen Academia ausgebildet werden sollte. Ich erfuhr erst Jahre später, dass Onkel Etrius der Academia dominationis Elenviniensis eine hohe Summe in Dukaten als Schulgeld ausgehändigt hatte, was auf Grund der finanziellen Situatio der Academia dominationis Elenviniensis gerne angenommen wurde. Dieses Schulgeld hatte Onkel Etrius aus seinem persönlichen Vermögen entnommen und aus den Reichtümern, die er durch seinen Dienst als Hofmagus und die Erstellung magischer Artefakte und alchimistischer Tinkturen angesammelt hatte.
Ich war sehr erfreut über die Aufnahme in der Academia dominationis Elenviniensis, bedeutete dies doch für mich, dass ich in der Nähe meiner Familia studieren konnte, und oft bei dieser zu Hause sein durfte. Ich sollte erst später feststellen, das den Scholaren der Academia dominationis Elenviniensis nur streng reglementierte Ausgangszeiten zur Disposition standen.
III.III. Cyberian, der Eleve
So wurde ich also Anfang Praios anno MXIII nach dem Fall der Tausendtürmigen, nach den Feiertagen, eingeschult. Meine gesamte Familia war anwesend, selbst Großmutter und Grovater aus Gareth waren angereist, um an diesem Tage dabei zu sein und mir Erfolg und Glück zu wünschen. Alle machten den Eindruck, dass sie sehr stolz auf mich waren, mit Ausnahme von Salwine, die ein wenig neidisch wirkte. Vater hatte mir selbst gute Kleidung anfertigen lassen, damit ich nicht aussähe wie ein Stallbursche und mir Schreibzeug gekauft. Ich vermute, dass dies eine Art Entschuldigung dafür sein sollte, dass ich nicht früher lesen lernen durfte, aber ich war schon damals nicht nachtragend deswegen, vielmehr war ich aufgeregt und nervös, über meine vor mir liegenden Jahre und ich hatte auch ein wenig Angst, da ich nicht wusste, was auf mich zukommen sollte. Hätte ich damals schon von der regelmäßigen Nutzung des Brabaker Rohrs in der Academia dominationis Elenviniensis gewusst, wäre meine Angst wohl unerträglich gewesen.
Nun sollte meine Ausbildung also beginnen. Mir wurde der Studiosus Gerwin Erlenbrück als Tutor zur Seite gestellt, der mir alles erläutern sollte. Er führte mich durch die Räumlichkeiten, wies mich in die Akademieordnung ein, erläuterte die Haushaltspflichten und die Rangordnung und half mir beim Lernen – so sind die Pflichten des Tutors. Natürlich waren die Vorlieben und Verschrobenheiten des Lehrkörpers und des Akademiepersonals, die Burschenschaften und Hinweise auf zukünftigen Lektionen ebenfalls von ihm an mich weitergegebenes Wissen.
So verbrachte ich also drei Götterläufe in den Klassen Octava, Septa und Sexta der Academia dominationis Elenviniensis. Zunächst erhielten wir Unterricht in Lesen und Schreiben bei Ihrer Gnaden Schultheiß. Wir mussten die Kusliker Zeichen und Nanduria lernen, wie es sich für einen Gelehrten geziemt. Weiterhin wurden wir von ihr im Bosparano ausgebildet, die dies in der Academia dominationis Elenviniensis die übliche Lehrsprache ist. Geschichte, Derographie, Alchimie, Al’Gebra, Pflanzenkunde waren weitere Fächer, in denen wir in diesen ersten Götterläufen durch Ihre Gnaden ausgebildet wurden.
Götterkunde jedoch wurde durch Seine Gaden von Quandt unterrichtet. Im Gegensatz zur Ihrer Gnaden Schultheiß machte er durchaus des öfteren Gebrauch vom Brabaker Rohr, ließ uns Kinder stundenlang die Gurvanianischen Choräle singen und begann und beendete jede Unterrichtsstunde mit einem Gebet an den Götterfürsten. Trotz dieses strengen Lehrers haben viele meiner Mitschüler, wie auch ich, den tiefen Glauben an den Götterfürsten nicht verloren, aber vielleicht ist es angebracht zu erwähnen, dass wir vor seinem Diener, der in all seiner Pracht und Gewandung vor uns stand, eine fürchterliche Angst hatten. Nach dem ersten Götterlauf wagte es niemand mehr, Seiner Gnaden auch nur im geringsten zu widersprechen oder gar in einer noch so geringen Weise den Unterricht zu stören, und als dieser Zustand erreicht war, wurde auch Seine Gnaden etwas milder im Umgang mit uns Eleven.
Dann muss man noch den Gelehrten Herren Brogrosch erwähnen, mit seinen Unterrichtsstunde im Ius Argelionis und in der Kunde der Angroschim inklusive ihrer Sprache und Schrift, dem Rogolan. Es gab – natürlich nicht direkt vor uns Schülern, aber doch so, dass wir in der Lage waren, dies mitzubekommen – gelegentlich Streitigkeiten zwischen Herrn Brogrosch und Seiner Gnaden von Quandt über die korrekte Auslegung des Ius Argelionis. Offenbar war Herr Brogrosch in seiner Auslegung Seiner Gnaden etwas zu milde, allerdings, so erfuhren ich durch meinen Tutor, führen die beiden Herren diese Streitigkeiten bereits seit über XV Götterläufen, so dass ich mit meiner heutigen Kenntnis der Ars Psychologica behaupten würde, dass dies ihre besondere Art der Zuneigung ist, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese Streigespräche auch gerne bei einem gemeinsamen Becher Wein geführt werden.
Weiterhin hatten wir bereits Unterricht in diversen Konzentrationsübungen bei Magister Severius Sanguinis ter Bredero. Auch Magister Severius achtete darauf, dass wir Eleven uns ordentlich und diszipliniert benahmen und legte zu diesem Zwecke den Rohrstock nie aus der Hand, es wäre ja zu spät gewesen, wenn man diesen erst hätte holen müssen. Das Verharren in völliger Ruhe, das unbewegte Beobachten eines einzelnen Punktes an der Wand und das Zählen aller uns bekannten Zahlen bis zur Zahl MCDXXXII – natürlich in eben jener bosparanischen Zählweise – war nicht leicht, brachte jedoch letzten Endes einen klaren, konzentrierten Geist hervor, was wir jungen Eleven trotz alledem natürlicherweise als reine Schikane betrachteten.
Zur Leibesübung wurden Wettrennen durch den die Academia dominationis Elenviniensis umgebenden Park veranstaltet, außerdem frühe Übungen im Umgang mit dem Stab. Weiterhin soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Eleven zu stetigen Küchen- und Haushaltsdienst eingeteilt waren. Werter Leser, Ihr könnt mir glauben, dass ich mir manches Mal wünschte, ich wäre doch wieder ein einfacher Stallbursche und in jenen Tagen war ich gegen Abend todmüde und wollte nur noch ruhen, bis zur HESindestunde wieder geweckt wurde.
Der bewusste Einsatz der Magica war uns untersagt – ehrlich gesagt, hätten wir nicht einmal gewusst, wie wir dies hätten vollbringen können – aber jeder unkontrollierte Ausbruch wurde verzeichnet und genauestens examiniert.
Diese Compilatio wäre natürlich unvollständig, wenn ich nicht meine Mit-Eleven erwähnen würde. Da die Academia dominationis Elenviniensis eine eher kleine Academia ist, waren wir in jenem Jahrgang nur zu Fünft, wovon ich zwei als Freunde, die beiden anderen jedoch als gewisse Rivalen betrachtete, was in den beiden kleinen Gruppen durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.
Meine Freunde waren Harwin Kramer, der nach seinerWeihe seinen Namen zu Harwinius Mercator bosparanisierte und Losiane Hasper, die wahrscheinlich auch heute noch diesen Namen trägt. Harwin ist der Sohn eines Elenviner Händlers und war seinerzeit durchaus fettleibig zu nennen. Ich glaube, er hat während der Leibesübungen in unserer Ausbildung etwa ein Viertel seines Körpergewichtes verloren. Als sehr behüteter Erstgeborener seiner Familia war er es, der am meisten mit der körperlichen Zucht unserer Dozenten Probleme hatte. Losiane hingegen kam aus Gareth und wurde nach Elenvina zur Ausbildung gebracht, da man bei ihr eine besondere Affinität zur Magica Controllaria entdeckt hatte. Leider hatte Losiane ein großes Problem mit der Disziplin, sie überstand die Zeit der examinatio minor nicht und wurde der Akademie verwiesen. Gerüchten zufolge wurde sie tief in den Wäldern der Baronie Albengau von einem finsteren Druiden weiter ausgebildet. Ich hoffe doch sehr, das dies nicht der Wahrheit entspricht und, so dies doch der Fall sein sollte, dass sie sich bald von dieser schwarzmagischen Gemeinschaft trennen wird.
Mein größter Rivale war in jenen Tagen Ludomyr Ucurium von Luring, ein Adelssproß, der sich für von Geburt an besser als wir anderen hielt und uns dies stets vorhielt. Es ärgerte ihn sehr, dass meine Beurteilung oft etwas besser waren als die seinen und er ließ nichts unversucht, um mich zu blamieren oder zu übertrumpfen. Sein guter Freund und fast schon wie ein Schatten stets in Ludomyrs Nähe war Efferdan Machandel. Schon die Eltern der beiden kannten sich und die Freundschaft wurde auf die Kinder übertragen. Efferdan war der Sohn eines großen Künstlers, aber von der Feinsinnigkeit seines Vaters hatte dieser wohl nur wenig geerbt, viel eher war dieser breitschultrige, großgewachsene Kerl ein Rüpel. Vielleicht passten Ludomyr und Efferdan deswegen so gut zueinander, beide hatten ein eher eigensinniges Gemüt und waren von ihrer eigenen Überlegenheit überzeugt. Wo Ludomyr seinen scharfen Intellekt und seine feine Herkunft zu Absicherung seiner Ziele nutzte, war Efferdan derjenige, der für körperliche Auseinandersetzungen eher ausgestattet war.
Nun – das Thema „körperliche Auseinandersetzung“ ist wohl noch erwähnenswert. Es geschah in der Septa, da sich die gegenseitigen Anfeindungen unserer beiden kleinen Gruppen so weit gesteigert hatten, das es am Abend in der Schlafkammer der Burschen zu einer Auseinandersetzung kam. Während ich mich bis aufs Blut mit Ludomyr prügelte, war Harwin zutiefst bemüht, die überlegenen Angriffe Efferdans abzuwehren. Nur Magister Severius’ Eingreifen hielt uns letzten Endes davon ab, un sozusagen gegenseitig die Augen auszukratzen. Interessanterweise nutze er dazu einfach nur den SOMNIGRAVUS-Cantus, der uns kurzerhand in Schlaf fallen ließ. Am nächsten Tag durften wir alle vier – Losiane war natürlich nicht dabei, da sie im Schlafraum der Mädchen nächtigte – uns vor dem Lehrkörper verantworten. Die Strafen waren streng, neben körperlicher Zucht, durften Harwin und ich den nächsten halben Götterlauf mit der vollständigen Reinigung der Bibliothek und alleinigem Küchendienst verbringen, während Ludomyr und Efferdan den Garten pflegen und die Lehrhallen reinigen durften. Werter Leser, Ihr könnt mir glauben, dass wir Eleven müde genug waren, um von Streitigkeiten in dieser Zeit abzusehen, aber die Rivalitäten bestanden weiterhin, nur die Methoden wurden subtiler, so versuchte Ludomyr stets, einen ungewollten Ausbruch der Magie unsererseits als „bewusste Zauberei“ darzustellen, was uns natürlich verboten war. Im Gegenzug dazu, versuchten wir, Ludomyr den unerlaubten Genusses von Alkohol zu unterstellen und similare Vorfälle zogen sich durch die gesamte Ausbildung. Ihr seht also, auch ich bin kein Unschuldsalveraniar, wie ich ja confessionieren muss.
III.III.I. examinatio minor
Nun standen nach drei Götterläufen der theoretischen Ausbildung also die ersten Prüfungen in Form der examinatio minor an. Natürlich hatten wir bereits diverse Male unser bislang erworbenes Wissen nachweisen müssen, die examinatio minor jedoch übertraf alle Tests, die wir bis dahin über uns ergehen lassen mussten. Alles, was wir erlernt hatten, mussten wir nachweisen, selbst die Kunst, uns nicht in unserer Konzentration stören zu lassen und Berechnungen der Al’Gebra durchzuführen, während Bedienstete Stühle und Tische im Raum lautstark verschoben. Ja, dies mag seltsam klingen, hatte aber durchaus seinen Sinn, zumindest im Nachhinein betrachtet. Eine Prüfung musste ich wiederholen: Die Prüfung in der Botanik. Ich gebe zu, dass die Pflanzenwelt nicht gerade mein Hauptinteresse war. Dafür war ich in den Grundlagen der Psychologica umso besser, sozusagen Klassenbester.
Eine kleine Genugtuung empfand ich beim Gedanken daran, dass Ludomyr sogar drei Prüfungen wiederholen musste, und Ihr könnte mir glauben, das er dies in den folgenden Götterläufen nicht vergessen konnte.
Schmerzhaft für uns war jedoch der mangelnde Erfolg Losianes. Dem Urteil der Damen und Herren Magister zu folge, wurde sie als „ungeeignet für die Ausbildung in der Gildenmagie“ eingestuft und der Akademie verwiesen. Wie bereits erwähnt hörten wir anschließend Gerüchte, dass sie auf ihrer Rückreise bei einem Druiden ausgekommen war und dort ausgebildet worden sei. Sicherlich wäre es interessant, Ihr eines Tages zu begegnen und ihre eigene Version der Geschichte zu vernehmen, doch weiß ich nicht, wo sie sich derzeit aufhalten mag und ob – falls die Gerüchte doch stimmen – unsere Begegnung unter einem guten Stern stehen würde. Wir anderen jedoch wurden nach den bestanden Prüfungen in den Stand des Novizius erhoben und nun sollte unsere magische Ausbildung erst beginnen.
III.IV. Novize Cyberian
Nun sollten wir uns also ein jeder „Novicius“ nennen dürfen und zu den üblichen Wissenschaften wurde von jetzt an auch Magica Theoretica und angewandte Magie unterrichtet, was in den folgenden Götterläufen einen immer größeren Stellenwert in unserer Ausbildung einnehmen sollte. Wir begannen nun unter Aufsicht und Anleitung von Magister Lucianus mit den ersten Novizenzaubern.
Für den magischen Leien möchte ich nun kurz erläutern was es mit den sogenannten „Canti Noviciæ“ – oder Novizenzaubern – auf sich hat. Auch der mächtigste Magus musste irgendwann einmal beginnen die Forces Magicæ zu kontrollieren. Die astralen Kräfte zu formen und zu lenken ist eine Hohe Kunst, derer man vieler Götterläufe der Übung bedarf, um sie zu beherrschen. Zu genau jenem Übungszwecke sind die Canti Noviciæ entstanden, durch diese simplen Matrices lernt ein junger Novicius die Formung der Kraft als solche. Hierbei ist es von erster Bedeutung, die Matrix des Cantus korrekt zu formen – eine Aufgabe, die dem ungeschulten Geist zu Beginn eine schier unermessliche Herausforderung ist – und die astralen Kräfte auf einen bestimmten Punkt zu lenken. Der Magister der dies beobachtet, nutzt in der Regel einen ODEM- oder ANALYS-Cantus, um den Erfolg oder Misserfolg zu erkennen und hilfreiche Handreichungen für die korrekte Formung der Matrix zu geben. Ein Cantus Noviciæ hat keinerlei spektakuläre Wirkung, wie es von komplex geformten Matrices auch dem einfachen Manne bekannt ist. Wenn man nach einigen Monaten vielleicht einmal einen kleinen Lichtfleck durch einen etwas komplexeren Cantus erkennt, so ist man kurz davor, die wirklichen Zauber zu erlernen. Aber für einen jungen Novizen, der bisher seine Kräfte nicht zu kontrollieren vermochte, ist diese zielgerichtete Anwendungen seines Talentes eine erhebende Erfahrung – vielleicht ist gerade diese besondere Erfahrung auch in gewissem Masse dafür verantwortlich, dass sich einige meine Collegæ als über dem normalen Volk stehend betrachten. Natürlich haben wir als Magi ein besonderes Talent, aber – so frage ich – ist nicht auch ein Meisterschmied mit einer besonderen Gabe von den Göttern beschenkt worden?
Mein erster richtiger Cantus war seinerzeit der FLIM-FLAM-Cantus. Dieser dient zwar nur der Beleuchtung der näheren Umgebung, aber Ihr vermögt Euch nicht vorzustellen, welch eine Freude eine kleine, über der Hand schwebende Lichtkugel in einem jungen Novizen auslösen kann.
Es war auch in jener Zeit, da meine Schwester Salwine unsere Familia verließ. Magistra Dextra empfahl seinerzeit dem Lehrkörper, mich für einige Zeit freizustellen, damit ich in dieser schweren Zeit bei meiner Familia sein konnte. Ich bin ihr überaus dankbar für diesen Vorschlag. Mein Bruder wollte nach Salwine suchen und bat darum, mit einem Trupp der Garde Elenvina und das nähere Umland der Stadtmark durchsuchen zu dürfen. Nun, sein Hauptmann gab ihm zumindest ein Pferd der Garde und die Freistellung, nach seiner Schwester zu suchen, doch Answin war erfolglos bei seiner Suche – die Zahori und meine Schwester waren wohl schon weit aus der Stadtmark Elenvina heraus. Zu allem Überfluss war meine Schwester dabei beobachtet worden, wie sie einen gesetzestreuen Elenviner Händler unter Benutzung eines Dolches um seinen Geldbeutel gebracht hatte, der natürlich Satisfaktion und Bestrafung meiner Schwester forderte, vielleicht war es in gewissen Sinne besser für sie, dass mein Bruder nicht in der Lage war sie aufzufinden.
Nach einer Woche der Aufregung, in der wir kein Anzeichen meiner Schwester gefunden hatten, kehrte ich in die Academia dominationis Elenviniensis zurück. Mein Bruder verbrachte noch drei weitere Monate mit der – leider erfolglosen – Suche. Sowohl mein Bruder, als auch ich schworen uns, dass wir – sollten wir Salwine jemals finden – alles in unserer Macht stehende tun würden, um sie nach Elenvina zurück zu bringen. Die Gram meiner Eltern ob dieses Vorfalls war groß und mein Vater ist in der Folge innerhalb eines Götterlaufes vollkommen ergraut.
Ludomyr hatte die Zeit meiner Abwesenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen und die Gelegenheit genutzt, um zwischen Harwin und mir Zwietracht zu sähen. Am Tage meiner Rückkehr war Harwin abweisend und verschlossen mir gegenüber. Es sollte 2 Monate dauern, bis ich herausfand, dass Ludomyr Harwin eingeschüchtert und überzeugt hatte, dass ich andere Gründe als Freundschaft hatte, um ihn so zu behandeln, wie ich es tat. Harwin war in jenen Tagen zu der festen Überzeugung gelangt, dass ich seine Freundschaft ausnutzte, um selbst bessere Beurteilungen zu erhalten, als mir dies ohne seine Hilfe möglich gewesen wäre, und in der Tat wurden meine Beurteilungen in Botanik und Alchimie tatsächlich ohne Harwins Unterstützung schlechter. Allen Zwölfen zum Danke schaffte unsere Freundschaft es allem zum Trotze doch, auch diese Hürde zu überwinden und ein Gespräch zwischen uns sollte die Fronten wieder klären, denn auch Harwins Beurteilungen wurden schlechter, insbesondere in der Psychologia und der Kund der zauberischen Wesen – vorher hatten wir uns eben gegenseitig beim Lernen unterstützt, so wie wir es nach diesem Zwischenfall wieder taten. Ich behielt dies im Hinterkopf und überlegte mir, wie ich diese schmerzliche Diskordanz gegenüber Ludomyr vergelten würde, doch dies werde ich noch später berichten.
Wir fuhren also mit unserer Ausbildung fort, wurden unterwiesen in praktischer und theoretischer Magie, erhielten Vorträge über allgemeines Wissen, dass einem Magus von Stand von der Bauersfrau unterscheidet und des weiteren mehr, doch möchte ich den Leser nicht damit langweilen, eine Rezitation meines Bücherwissens vorzunehmen, da eine Beschreibung meines Lebens hier im Vordergrund stehen sollte und nicht eine wissenschaftliche Dokumentation über die Ausbildung eines jungen Novizen.
III.V. Cyberian als Studiosus
Nach weiteren Prüfungen, die aber nicht die Schärfe der examinatio minor hatten, durften wir uns nach drei Grötterläufen nun „studiosi“ nennen und von diesem Moment an sollte es richtig schwer werden. Wir mussten immer mehr lernen, Botengänge für die Magister durchführen, Experimente und Vorträge verstehen und selbst durchführen, die Anwendung der erforderlichen Canti erlernen, Hausarbeiten und Prüfungen über uns ergehen lassen und wir wurden jetzt auch selbst Tutoren. Kurz gesagt, obwohl ich nur zwei Götterläufe lang als Studiosus betrachtet wurde, war mir jene Zeit als ebenso intensiv erschienen wie die zuvor gehenden sechs Götterläufe insgesamt. Es gab Nächte, in denen wir uns mit alchimistischen Tinkturen und aus Brabak importiertem Kaffee wach hielten, da wir befürchteten ansonsten nicht allen uns gestellten Aufgaben gerecht zu werden.
Kaffe aus Brabak, so fragt Ihr? Nun ein interessantes Getränk mit anregender Wirkung, das aus einer kürzlich entdeckten Bohne aus den südlichen Dschungeln gewonnen wird. Es ist von leicht bitterem Geschmack und ein horasischer Fernhändler brachte die Bohnen an den herzöglichen Hof, wo meine Mutter eine geringe Menge für uns erhielt. Wenn ihr Gelegenheit dazu habt und Euch Euer Geldbeutel als etwas zu schwer erscheint, so empfehle ich Euch, diesen Trunk einmal zu kosten.
Mein Tutorium sollte ich ebenfalls kurz erläutern. Mein Schützling war ein Knabe von elf Götterläufen namens Cordovan Eboreus, Sohn eines Großbauern aus der Stadmark Elenvina. Er war in jenen Tagen zum ersten Male in seinem Leben in der Stadt und furchtbar aufgeregt ob der gesamten neuen Eindrücke. Inzwischen ist seine examinatio minor überstanden und er beginnt nun ebenfalls mit der Ausformung seiner Kräfte. Er hat ein weit größeres Verständnis der Botanik als ich es seinerzeit hatte, dafür musste ich ihm des öfteren in der Ars Alchimia Unterstützung leisten. In ein paar Götterläufen wird er seine examinatio maior haben und dann werde ich hoffentlich in Elenvina sein, um an diesem, für ihn wichtigen Moment noch einmal für ihn da zu sein, so wie mein Tutor es auch getan hat, doch dazu später mehr.
Einen Tag des Ausgangs in meiner Zeit als Studiosus werde ich jedoch so schnell nicht vergessen. Ich wurde per Bote eingeladen, an den Hof des Herzogs geladen, um dem Ritterschlag meines Kindheitsfreundes Falduwin von Grötz beizuwohnen. Ich hätte ja nie gedacht, dass Falduwin noch an unsere gemeinsame Kindheit gedacht hätte, aber ihm war und ist unsere Freundschaft sehr wichtig und nach dieser für mich eher überraschenden Einladung bin ich auch sehr froh über unsere Freundschaft. Von meinen Ersparnissen erstand ich feine Roben für den Anlass, schließlich sollte ich mich ja unter Personen von Stande bewegen. Ich bat Magister Severius um ein paar zusätzliche Lektionen in gutem Benehmen bei Hofe und war vor dem Ereignis reichlich nervös, schließlich sollte dem eigentlichen Ritterschlag ein Fest folgen. Doch war dies letzten Endes nicht so tragisch, wie ich befürchtete, Magister Severius’ Lektionen der Etikette waren wertvoll und hilfreich, so dass ich mich an diesem Tage ohne Fehl bei Hofe bewegen und einige Disputationen führen konnte, ohne Fehltritte zu leisten. Dieser Tag war auch noch anderweitig für mich von Nutzen. Dank Falduwin konnte ich nun endlich Ludomyr eine Abreibung verpassen. Der Graf Gernot von Jalwinstein, der in späteren Götterläufen einst der Lehnsherr Falduwins sein wird, so dieser das Lehen seines Vaters übernimmt, wollte Falduwin ein Geschenk machen. Falduwin und ich hatten zuvor bereits ausführlich über unsere Erlebnisse während unserer Ausbildungen gesprochen. Falduwins Wunsch war es – sehr zu meiner Überraschung und Freude – dass Ludomyr Ucurium von Luring nicht als Hofmagus in der Grafschaft dienen sollte, ein schwerer Schlag, da eben jener Graf auch der Lehnsherr von Ludomyrs Vater war, doch der Graf von Jalwinstein gewährte Falduwin diesen Wunsch, nachdem er von dem intriganten Wesen Ludomyrs erfahren hatte. Vermutlich hatte der Graf schon seine eigenen Schwierigkeiten mit den von Lurings, denn seine Entscheidung war meiner Ansicht nach, etwas zu schnell gefällt. Ich beschloss noch am selben Abend, dass Falduwin einer meiner Gäste bei meiner Abschlussfeier sein würde.
III.VI. Examinatio maior – Die Abschlussprüfung
Vor der Abschlussfeier jedoch ist es ja nun allgemein üblich, dass noch eine Abschlussprüfung – in Kreisen der Collegæ „examinatio maior“ genannt – erfolgt, von der ich nun berichten werde. Diese Prüfungen ziehen sich über einen Zeitraum von drei Monaten und verlangen den nun „canditatus“ genannten Schülern viel ab, selten gelangt man in diesem Zeitraum der examinatio zur Ruhe, allerdings ist der junge Scholar, so er denn dieses Stadium der Ausbildung erreicht hat, von den eher lästigen Pflichten der Botengänge, Hausarbeiten, Kopieren von Büchern etc. befreit, so dass der junge Scholar sich vollends auf die Prüfungen konzentrieren mag.
III.VI.I. scriptorio et disputatio
Die examinatio beginnt mit dem „scriptorio“ genannten Teil der Prüfungen. Hierbei muss den candidatus mehrere Abhandlungen über die Ars Magica verfassen, insbesondere über jenes Spezialgebiet, mit dem sich die Akademie an der der Scholar studiert besonders befasst, in meinem Falle also mit der Magica Controllaria.
Ich verfasste also eine Abhandlung über die langfristigen Wirkungen der Magica Controllaria auf den Geist des Unbescholtenen am Beispiel der Thesis des BANNBALADIN-Cantus. Hierbei versuchte ich insbesondere jene Auswirkungen aufzuzeigen, die sich bei längerfristiger und wiederholter Anwendung ergeben könnten. Diese kurze Schrift wurde von Magister Severius als „lohnend und interessant“ bewertet.
Meine zweite Schrift befasste sich mit den moralischen Hintergründen der Anwendung der Magica Controllaria in Hinblick auf die Zwölfgöttlichen Gebote, denen ein jeder Magus zu folgen hat. Denn wisset, nicht jede Anwendung der Magic Controllaria ist per se als „schwarzmagisch“ zu verurteilen. Natürlich gestehe ich ein, dass gerade die Macht, den Geist und die Gefühle anderer Menschen zu beeinflussen, eine große Gefahr auch für den Geist eines anwendenden Magus in sich birgt, wird dieser doch vielleicht gerade auf Grund dieser Macht leicht korrumpiert. Es gibt jedoch auch Möglichkeiten, die Magica Controllaria zu „gutem Zwecke“ einzusetzen. So ist per exemplum die Unterlassung einer Folter zur Wahrheitsfindung leicht durch den geschickten Einsatz der Ars Magica ohne weiteres möglich und auch combattive Auseinandersetzungen lassen sich durch leicht anzuwendende Canti umgehen. Jedoch muss ich eingestehen, dass der Magus, der sich mit der Magica controllaria beschäftigt sich stets dessen bewusst sein muss und immer in besonderem Masse die moralischen Verstrickungen ermessen muss. Diese etwas längere Schrift wurde sogar von Seiner Gnaden von Quandt als „erhellend“ beurteilt.
Der nächste Teil der examinatio war der „disputatio“ genannte Part. Hierbei wird jeder candidatus einer ausführlichen mündlichen Prüfung vor dem gesamten Lehrkörper unterzogen, bei der er das gesammelte Wissen seiner Ausbildung nachweisen muss. Fragen zur Magica Theoretica, Alchimie, Algebra, Botanik, Zoologie und in unserem Falle auch der Psychologia sammeln sich zu einem gewaltigen Katalog an, den der candidatus möglichst fehlerfrei beantworten können sollte. Aber – wie bei allen Prüfungen – ist die Aufregung oft größer als die nachfolgende Anstrengung und die Prüfungen gingen mir relativ leicht von der Hand.
III.VI.II. demonstratio
Interessanter für den Laien und wesentlich schwieriger ist dann der Teil der examinatio, der sich allgemein „demonstratio“ nennt. hierbei muss der candidatus Fachkenntnis in den wesentlichen Formulæ seiner Akademie in der praktischen Anwendung nachweisen – kurz gesagt als ein „Vorzaubern“ der erlernten Zauber. Ich befürchte schon, dass der Leser sich nun fragt, wie man Canti der Magica Controllaria denn demonstrieren können. Nun in der Academia dominationis Elenviniensis gibt es einige freiwillige Bedienstete, die sich für ein Entgelt von den candidati sozusagen beherrschen lassen. Diese Freiwilligen haben natürlich das feste Vertrauen in die Magister, dass, sollte einmal ein candidatus versagen, diese den evtl. malignen Cantus leicht revidieren können, immerhin sind dies dies ja erfahrene und respektierte Magister, wohingegen die candidati nur Jungzauberer sind. Es sei erwähnt, dass es einen solcher Bediensteten an der Academia dominationis Elenviniensisgibt, der seit etwa anno XIV nach dem Fall der Tausendtürmigen Götterläufern von den Magistern betreut wird, da seinerzeit ein candidatus den BANNBALADIN-Cantus verpatzt hatte, worauf eben dieser Bedienstete seither glaubt, dass jede Person, der er begegnet ein alter und inniger Freund ist.
Die Tage zwischen den einzelnen demonstrationes werden mit astraler Meditation verbracht, um die Kräfte des candidatus wieder aufzufrischen, zudem werden alchimistische Tinkturen zu eben dem gleichen Zwecke gereicht. Meine demonstratio verlief gänzlich ohne Zwischenfälle, während Ludomyr seine demonstratio des SOMNIGRAVUS-Cantus zu meiner Genugtuung wiederholen musste. Doch auch Harwin musste einen Cantus wiederholen, namentlich den SENSIBAR-Cantus.
Glücklicherweise für alle Beteiligten besteht die Möglichkeit jede Teilprüfung bis zu zweimal zu wiederholen, sollte dies nicht gelingen, so muss ein weiteres Jahr studiert werden. Efferdan und mir gelang die demonstratio jedoch im ersten Versuch, was ich – ehrlicherweise – von ihm nicht erwartet hätte. Viel eher hätte ich vom ehrgeizigen Ludomyr erwartet, die demonstratio ohne Tadel zu bestehen, aber auch mit allerbester Ausbildung kann man sich irren, denn ohne Fehl sind nur die Zwölfe.
Ich fand nur wenig Schlaf in jenen Monaten, verbrachte meine kostbaren Stunden vielmehr mit Übungen und dem Studium. Auch hier halfen wieder Brabaker Kaffee und alchimistische Tinkturen, um dem Schlafe zu entkommen – Boron möge mir verzeihen. Den mangelnden Schlaf holte ich jedoch nach den Prüfungen ausführlichst nach. Bishdariel trug in jenen Tagen seltsame Träume zu mir, die von Mißlingen der Prüfungen handelten und von denen ich oft schweißgebadet aufwachte und mich dann entsinnte, dass meine Prüfungen bereits abgelegt waren und nun die Vorbereitungen für die Weihe und Abschlussfeier im Gange waren.
III.VI.III. Abschlussfeier und Weihe
Nun war es also soweit, meine Prüfungen waren beendet und ich sollte nun zum Adeptus und lizensiertem Magier geweiht werden. Meine gesamte Familia – mit Ausnahme von Salwine natürlich – war anwesend, ebenso war Falduwin mein Gast.
Nach einer schier endlos erscheinenden Laudatio Seiner Spektabilität Vittelbeck, der in einer Sänfte in den Raum der Feierlichkeiten getragen worden war, wurde nun einen jeder von uns nach vorne gerufen. Uns wurde der Stab, den wir als Teil unserer demonstratio an uns gebunden hatten als Zeichen unseres neuen Standes überreicht. Mit Hilfe eines magischen Siegelstocks wurde uns das Siegel der Academia dominationis Elenviniensis in die rechte Hand appliciert. Dann wurde uns unser Vademecum überreicht und wir wurden mit den Worten „Gehe hin in die Welt, um Wissen zu erlangen und Wissen zu mehren, die Kunst zu fördern und weise zu nutzen, wie es von alters her dein Recht und deine Pflicht ist Adeptus.“ endlich entlassen.
Ich verbrachte noch zwei Semester an der Academia dominationis Elenviniensis, um weitere Zauber zu erlernen, doch am heutigen Tage, da ich dies verfasse, sitze ich vor dem Kamin im Hause meiner Eltern und nachdem diese Zeilen verfasst sind, werde ich mich an einer gedeckten Apfeltorte meiner Großmutter gütlich tun.
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