EMERGENZ

Eigentlich wollte er ja nur Informatik studieren, aber in seiner dritten Vorlesung sah er plötzlich alle Datenströme der Kommlinks seine Kommilitonen vor sich, obwohl er seine Bildverbindung deaktiviert hatte. Er sah all die Informationen: Wo Julia die Nacht verbracht hatte, den Chat zwischen Mark und Melissa und die kleinen Leichen im Keller von diesem elenden Löwenzahnfresser Karl. Er hatte zuvor schon über die Emergenz, das digitale Erwachen, gelesen, hätte aber niemals geglaubt, dass er selbst zu der als „Technomancer“ bezeichneten Gruppe gehören würde. Er schwieg über seine Begabung, denn er wusste, dass es viele Vorurteile gab.
Aber es sollte nicht lange dauern, bis sich dies änderte….

DELPHI

Immer wieder erschien dieses Wesen in der Matrix. Niemand schien es zu sehen. Die Ikonographie eines griechischen Philosophen und er blickte Martin immer so wartend an. Worauf wartete er? Warum er beobachtete er ihn? Wer war er?

Er sprach ihn an. Er erhielt Antwort.

„Ich bin das Orakel. Manche nennen mich Delphi. Du kannst die Datenströme sehen, aber Du verstehst sie nicht. Ich kann Dir zeigen, wie Du sie verstehen kannst. Denn nur wenn Du die Daten verstehst und den Strom der Daten, dann kannst Du sie auch lenken. Folge diesem Datenstrom und es wird beginnen, was beginnen muss…“

Er folgte…

ERSTER RUN

…und kam in eine virtuelle Bar. Er wusste irgendwie, dass er zu diesem einen Typen in der Ecke gehen musste, dass er auf ihn wartete, dass er ihn bezahlen würde.

„Nur ein kleiner Auftrag.“, sagte er, „eine kleine Hacking-Operation. Ich weiß, dass sie das können. Sie sind mir empfohlen worden.“

Von wem, fragte er sich selbst.

„NeoNet unterhält in Berlin eine kleine Forschungsanlage. Kaum Matrix-Sicherheit. Sie können sogar von zu Hause aus dorthin. Dort gibt es eine Datei, die Sie löschen sollen. Die genauen Spezifikationen übertrage ich Ihnen, wenn Sie annehmen. 5.000 ¥ sind drin“

„OK. Warum nicht?“ sagte er und verließ nach dem Datentransfer die Matrix.

Er begann. Er kam leicht durch die Sicherheit. Er fand die Daten. Sie war keine Daten. Es war eine KI.

„Nein, nicht löschen“, sagte ihm eine innere Stimme, „sondern befreien.“

Er befreite die KI. Sie nannte sich selbst Ikona und sie versprach, ihm zu helfen. Sie löschte von nun an alle Daten, die zu ihm in der Matrix erschienen.

ORAKEL

Ja, er fand Daten. Ja, er war richtig gut darin. Ja, er konnte auch die Sprites inzwischen benutzen. Es kamen immer wieder Leute zu ihm, die ihn um Rat fragten. Er wusste nicht, warum. Aber er half, wenn er konnte. Er interpretierte die Daten und die Datenströme. Er fand weitere Daten. Er konnte langsam erkennen, verstehen. Delphi kam wieder, jetzt verstand er. Jetzt war er bereit. Jetzt ging er in die Schatten. Er musste, denn offiziell gab es ihn nicht mehr. Er war selbst ein Schatten. Ein Orakel der Resonanz…